Archiv für April 2014

Wer feuert eigentlich die Aufsichtsräte?

(25.04.2014) Die Aufsichtsräte der Commerzbank AG kassieren rund 1,6 Mio Euro pro Jahr. Der Vorsitzende Klaus-Peter Müller allein rund 240 Tausend Euro, die Herren Uwe Tschäpe 127 und Hans-Hermann Altenschmidt 116 Tausend. Wofür eigentlich? Dafür, dass sie mal einen Blick ins Aktiengesetz werfen, anscheinend nicht. Dort steht nämlich schwarz auf weiß: ein Vorstandsmitglied einer Aktiengesellschaft kann nicht einfach so gefeuert werden. Das hat seine Berechtigung, denn der Vorstand hat die Geschäfte der AG in eigener Verantwortung zu leiten. Also frei von Weisungen und unter persönlicher Haftung für Schäden, wenn er nicht beweisen kann, dass er „mit der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns“ gearbeitet hat. Der Widerruf der Bestellung ist nur aus wichtigem Grund möglich. Also dann, wenn ein Verbleiben des Vorstandsmitglieds aus persönlichen Gründen (z.B. gravierendes Fehlverhalten, schwere Krankheit oder Insolvenz des Vorstandsmitglieds) oder aus sachlichen Gründen (z.B. erhebliches Zerwürfnis im Vorstand) für die Gesellschaft unzumutbar geworden ist. Nichts davon lag auch nur im Entferntesten im Fall Ulrich Sieber vor. Trotzdem schmiß der Aufsichtsrat ihn raus. Siebert klagte, und – was jeder auch nur einigermaßen Rechtskundige voraussagen konnte – gewann. Die Kosten für die Commerzbank dürften im Millionenbereich liegen. Wer zahlt’s? Die Aufsichtsräte sicher nicht. Und dass jemand nun die feuert, ist leider auch nicht zu erwarten…

Mehdorns Beschleunigungsprogramm zeitigt erste Ergebnisse

(12.04.2014) Vor genau einem Jahr stellte Hartmut Mehdorn dem BER-Aufsichtsrat sein Beschleunigungsprogramm SPRINT vor. Dann passierte ein Jahr lang zwar nichts, aber heute gab es erste Ergebnisse. Und der Aufsichtsratsvorsitzende machte sich ganz entgegen seiner Gewohnheit gleich vor Ort ein Bild davon…

Anwaltsethik

(12.04.2014) Aus „Plato and Platypus walk into a bar – Understanding Philosophy through Jokes“:

Even lawyers have professional ethics. If a client mistakenly gives a lawyer $ 400 to pay a $ 300 bill, the ethical question that naturally arises is whether the lawyer should tell his Partner.

Eine moderne Führungskraft

(12.04.2014) Gestern war ich mit meiner Frau zu der Präsentation einer Unternehmensberatung eingeladen. Es gab Häppchen und Wein und danach einen Vortrag des Geschäftsleiters. Es ging um „Change Management“.
 
Der Geschäftsleiter stellte Kafkas Erzählung „Die Verwandlung“ und das 5-Phasen-Modell von Elisabeth Kübler-Ross als Beispiele gelungenen Change Managements dar.
 
Später sprachen meine Frau und ich ihn verwundert darauf an. Ob er übersehen hätte, dass sowohl bei Kafka wie auch bei Elisabeth Kübler-Ross diejenigen, um die es geht, nach ihrem Change Management tot sind.
 
Er stutzte erst, dann empfahl er uns, die Veranstaltung zu verlassen. Denn wir brächten „schlechte Vibes“ und unser Verhalten sei überhaupt „zum Kotzen“.
 
Heute morgen habe ich noch einmal auf die Internet-Seite der Unternehmensberatung geschaut.

Eine moderne Führungskraft

so stand dort, 

muss kommunizieren, zuhören, verstehen, innehalten, dazulernen.

.“

 

 

The Winner takes it all…

(31.03.2014) … und der Verlierer zahlt es. So ist es jedenfalls in Deutschland und in den meisten Ländern (anders als z.B. in den meisten Bundesstaaten der USA, in Japan und Taiwan). Wer einen anderen verklagt und den Prozess verliert, darf nicht nur seine eigenen Anwaltskosten, die Kosten einer Beweisaufnahme und die Gerichtskosten bezahlen, sondern auch noch die Kosten des Gegenanwaltes. Bei einem Prozess um, beispielsweise, 800 EUR kommt da schnell der gleiche Betrag zusammen, um den es überhaupt geht – in der ersten Instanz. Geht es in die zweite, wird es noch teurer.

Etwas gemildert ist dieses Prinzip im Arbeitsrecht. Dort trägt – wenn auch nur in der ersten Instanz – jede Partei ihre Kosten selbst, egal wie der Rechtsstreit ausgeht. Das Prozessrisiko für den Arbeitnehmer halbiert sich dadurch (das des Arbeitgebers freilich auch). Wahrscheinlich nur deshalb hat eine Praktikantin es gewagt, vor Gericht 17.000 Euro von dem Unternehmen zu fordern, das sie monatelang als „Praktikantin“ unbezahlte Arbeit hat leisten lassen – und vor dem Arbeitsgericht Bochum Recht bekommen.

Waffengleichheit im Prozess besteht dennoch nicht zwischen Privatpersonen und Unternehmen. Das Unternehmen kriegt, anders als die Privatperson, die Umsatzsteuer auf seine Anwaltskosten vom Finanzamt zurück, was diese Position für das Unternehmen schon einmal um rund ein Sechstel verbilligt. Außerdem kann es sämtliche Kosten auch eines verlorenen Rechtsstreits als Betriebskosten geltend machen. Das kann ein Verbraucher überhaupt nicht, ein Arbeitnehmer möglicherweise als Werbungskosten, aber da sein persönlicher Steuersatz in der Regel deutlich geringer ist als der des Unternehmers incl. dessen Gewerbesteuer, ist auch seine Steuerersparnis deutlich geringer. Abgesehen davon profitiert das Unternehmen in der Regel von der „Prozessdividende“: es kann darauf bauen, dass nur ein Teil derjenigen, die berechtigte Ansprüche haben, diese auch durchsetzen. Im Fall von Verspätungsentschädigungen bei Fluggesellschaften sind es zum Beispiel nur rund ein Zehntel – gerade weil die Unternehmen praktisch jeden abwimmeln, der auf seine Recht pocht. Ohne Anwalt und Gerichtsverfahren kommt hier praktisch kein Verbraucher zu seinem Geld. Bei dem, was die Unternehmen auf diese Weise sparen, sind in den Fällen, die sie dann tatsächlich verlieren, die Prozesskosten längst schon eingespielt.

Hier wäre schon seit langem der Gesetzgeber gefragt. Interessanterweise gibt es längst einen Ansatz, wie man die geschilderte Waffenungleichheit beseitigen könnte, nämlich durch eine asymmetrische Kostenverteilung, wie sie bei Aktionärsklagen vorgesehen ist. Klagt ein Aktionär gegen eine Entscheidung der Hauptversammlung, dann können die Kosten, die er der Gegenseite zu erstatten hat, wenn er verliert, deutlich geringer festgesetzt werden als die Kosten, die die Gesellschaft zu erstatten hat, wenn diese den Rechtsstreit verliert. Was für Aktionäre recht ist, sollte eigentlich für Verbraucher billig sein. Aber bis der Gesetzgeber das begreift oder sich auch nur dafür interessiert, werden noch viele Verbraucher und Arbeitnehmer von Unternehmen über den Tisch gezogen werden…