Kudammraser: Vorsatz und Fahrlässigkeit?

(01.03.2017) Wer einen anderen umbringt, kann nur dann wegen Mordes oder Totschlags bestraft werden, wenn er vorsätzlich gehandelt hat Vorsätzlich handelt nicht nur der, dessen primäres Ziel die Tötung eines Menschen ist (sog. direkter Vorsatz), vorsätzlich handelt auch, wem bewusst ist, dass ein anderer Mensch sicher (indirekter Vorsatz) oder vielleicht (bedingter Vorsatz) als Nebeneffekt seiner Handlung sterben wird und er dies aber (wenn auch ohne es zu wünschen) in Kauf nimmt. Da verbleibt, wie so oft im Recht, eine Grauzone zur bewussten Fahrlässigkeit. Trotz aller Versuche der Strafjuristen, hierfür Formeln aufzustellen („Na wenn schon“ = bedinger Vorsatz, „wird schon gutgehen“ = bewusste Fahrlässigkeit).

Das Landgericht Berlin hat bei der Urteilsverkündung und -begründung zum Ausdruck gebracht, dass man nicht mehr von Fahrlässigkeit sprechen könne, wenn eine überwiegende oder zumindest sehr große Wahrscheinlichkeit des Schadenseintrittes besteht, der Täter es aber dem reinen Zufall überlässt, ob es zu dem Schaden kommt oder nicht. In einem solchen Fall liege eine Gleichgültigkeit gegenüber dem Schadenseintritt vor, die als bedingter Vorsatz („na wenn schon“) zu qualifizieren sei.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Abgrenzung von bedingtem Vorsatz und bewusster Fahrlässigkeit handelt der Täter vorsätzlich, wenn er den Eintritt des tatbestandlichen Erfolges als möglich und nicht ganz fernliegend erkennt und damit in der Weise einverstanden ist, dass er die Tatbestandsverwirklichung billigend in Kauf nimmt oder sich um des erstrebten Zieles willen wenigstens mit ihr abfindet, mag ihm auch der Erfolgs-eintritt an sich unerwünscht sein; bewusste Fahrlässigkeit liegt hingegen dann vor, wenn der Täter mit der als möglich erkannten Tatbestandsverwirklichung nicht einverstanden ist und ernsthaft – nicht nur vage – darauf vertraut, der tatbestandliche Erfolg werde nicht eintreten. Da die Grenzen dieser beiden Schuldformen eng beieinander liegen, müssen die Merkmale der inneren Tatseite in jedem Einzelfall besonders geprüft und durch tatsächliche Feststellungen belegt werden. Insbesondere die Würdigung zum voluntativen Vorsatzelement muss sich mit den Feststellungen des Urteils zur Persönlichkeit des Täters auseinandersetzen und auch die zum Tatgeschehen bedeutsamen Um-stände mit in Betracht ziehen. Geboten ist somit eine Gesamtschau aller objektiven und subjektiven Tatumstände. Hierbei können je nach der Eigenart des Falles unterschiedliche Wertungsgesichtspunkte im Vordergrund stehen, z.B. aus dem Vorleben des Täters sowie aus seinen Äußerungen vor, bei oder nach der Tat können sich Hinweise auf seine Einstellung zu den geschützten Rechtsgütern ergeben.

Im vorliegenden Fall hat das Landgericht, wie vom BGH gefordert, die Vorgeschichte der Angeklagten gewürdigt, die bereits zuvor durch eine Vielzahl von Straftaten im Straßenverkehr aufgefallen waren und dabei eine offensichtlich erhebliche Gleichgültigkeit gegenüber dem Leben und der körperlichen Unversehrtheit anderer Straßenverkehrsteilnehmer an den Tag gelegt haben.

Bei näherer Betrachtung scheint mir nicht mehr ganz unwahrscheinlich, dass der BGH das Urteil bestätigen wird.

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