Kriminelle Handlungen

(30.05.2014)

Niemand ist gefeit vor kriminellen Handlungen

so der Regierende Bürgermeister auf einer Pressenkonferenz in Peking. Leider meint er mit den kriminellen Handlungen nicht seine eigene Pflichtvergessenheit als Aufsichtsratsvorsitzender der Flughafengesellschaft. Obwohl diese seit geraumer Zeit die Schwelle zur strafbaren Untreue überschritten haben dürfte. Jedenfalls dann, wenn man die Maßstäbe der Staatsanwaltschaft in dem Verfahren gegen Manager der HSH Nordbank anlegt.

„Nach Frühstücksdirektorenart“, ohne sich inhaltlich damit ausreichend zu befassen, hätten die sechs angeklagten Bankmanager eine Kreditvorlage „großzügig unterzeichnet“, die ihrem Institut einen Vermögensverlust von gut 50 Millionen Euro einbrachte, lautete das Fazit von Staatsanwalt Karsten Wegerich gegen Ende seines Plädoyers. Alle Vorstände hätten sich der Untreue in besonders schwerem Fall schuldig gemacht, beim damaligen Finanzvorstand Uwe Jens Nonnenmacher sowie Kapitalmarktvorstand Jochen Friedrich komme noch Bilanzfälschung hinzu. […] Die Ankläger sehen es nach 57 Verhandlungstagen als erwiesen an, dass die ehemaligen Bankvorstände „grob pflichtwidrig“ gehandelt und ihre Handlungsspielräume erheblich überschritten haben. Denn bei der Entscheidung über das Kreditgeschäft mit der bankinternen Bezeichnung „Omega 55“ sei eine umfassende Informationsgrundlage von zentraler Bedeutung gewesen, um im Dezember 2007 bei der Entscheidung über die Kreditvorlage der Sorgfaltspflicht des Vorstands zu genügen. Dazu hätte die Geschäftsleitung alle verfügbaren Informationsquellen ausschöpfen müssen – eine bloße Plausibilitätsprüfung genüge nicht.

Ich kann nicht erkennen, dass Herr K.W. jemals auch nur einmal die Plausibilität irgendeines Vorschlages oder irgendeiner Vorlage des Vorstandes der Flughafengesellschaft überprüft – geschweige denn „alle verfügbaren Informationsquellen ausgeschöpft“ hat. Es ist schon richtig, die Bürger Berlins sind nicht gefeit vor kriminellen Handlungen. Nicht einmal vor solchen eines regierenden Frühstücksdirektors. Wie lange aber ist dieser eigentlich noch davor gefeit, dass die Staatsanwaltschaft auch gegen ihn ermittelt?

1.295 Euro für was?

(27.05.2014) Heute flatterte mir die Einladung für eine Konferenz auf den Schreibtisch. Neben dem Grußwort eines angeblich regierenden Bürgermeisters

Ich wünsche allen Teilnehmerinnen und Teilnehmern eine interessante Konferenz und viele anregende Begegnungen, aus denen sich Anstöße für Vorhaben ergeben, die Berlin voranbringen,

Androhungen der Referate „Aus Airport wird Standort – Berlin TXL auf dem Weg zur Urban Tech Republic“ des Geschäftsführers einer „Tegel Projekt GmbH“ sowie „Tempelhofer Freiheit – lebendiges Beispiel zeitgemäßer Konversion“ des Geschäftsführers einer „Tempelhof Projekt GmbH“, dem Statement eines Stadtentwicklungssenators

Eine wichtige Frage ist, wo und wie die Menschen in der Stadt wohnen

(gut beobachtet, Herr Senator!) fand sich dort, sehr kleingedruckt, die Zahl 1.295. Soviel, in Euro, kostet die Teilnahme an der Konferenz. Zuzüglich Mehrwertsteuer. Ich werde mir die Ausgabe sparen…

Eine Wut auf keine Wut

(05.05.2014) Auf Einladung der Schulleiterin Frau Leube-Dürr habe ich heute in der Aula des Tübinger Uhlandgymnasiums aus „Uhlandgymnasium“ vor Schülern der Klassen 11 und 12 vorgelesen. Sie waren brav – weitaus braver als die Protagonisten meines Romans – und haben ab und zu gelacht. Und am Schluss geklatscht. Ein Schüler sagte nachher, ich hätte die Wut des Protagonisten auf die Schule, die Lehrer und die gesellschaftlichen Verhältnisse in den 60er Jahren gut dargestellt. Ich fragte in die Runde, ob es denn etwas gäbe, auf das sie eine Wut hätten. Ein Mädchen meinte daraufhin, sie hätten eine Wut darauf, dass sie eigentlich auf garnichts eine Wut hätten…

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Wer feuert eigentlich die Aufsichtsräte?

(25.04.2014) Die Aufsichtsräte der Commerzbank AG kassieren rund 1,6 Mio Euro pro Jahr. Der Vorsitzende Klaus-Peter Müller allein rund 240 Tausend Euro, die Herren Uwe Tschäpe 127 und Hans-Hermann Altenschmidt 116 Tausend. Wofür eigentlich? Dafür, dass sie mal einen Blick ins Aktiengesetz werfen, anscheinend nicht. Dort steht nämlich schwarz auf weiß: ein Vorstandsmitglied einer Aktiengesellschaft kann nicht einfach so gefeuert werden. Das hat seine Berechtigung, denn der Vorstand hat die Geschäfte der AG in eigener Verantwortung zu leiten. Also frei von Weisungen und unter persönlicher Haftung für Schäden, wenn er nicht beweisen kann, dass er „mit der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns“ gearbeitet hat. Der Widerruf der Bestellung ist nur aus wichtigem Grund möglich. Also dann, wenn ein Verbleiben des Vorstandsmitglieds aus persönlichen Gründen (z.B. gravierendes Fehlverhalten, schwere Krankheit oder Insolvenz des Vorstandsmitglieds) oder aus sachlichen Gründen (z.B. erhebliches Zerwürfnis im Vorstand) für die Gesellschaft unzumutbar geworden ist. Nichts davon lag auch nur im Entferntesten im Fall Ulrich Sieber vor. Trotzdem schmiß der Aufsichtsrat ihn raus. Siebert klagte, und – was jeder auch nur einigermaßen Rechtskundige voraussagen konnte – gewann. Die Kosten für die Commerzbank dürften im Millionenbereich liegen. Wer zahlt’s? Die Aufsichtsräte sicher nicht. Und dass jemand nun die feuert, ist leider auch nicht zu erwarten…

Mehdorns Beschleunigungsprogramm zeitigt erste Ergebnisse

(12.04.2014) Vor genau einem Jahr stellte Hartmut Mehdorn dem BER-Aufsichtsrat sein Beschleunigungsprogramm SPRINT vor. Dann passierte ein Jahr lang zwar nichts, aber heute gab es erste Ergebnisse. Und der Aufsichtsratsvorsitzende machte sich ganz entgegen seiner Gewohnheit gleich vor Ort ein Bild davon…

Anwaltsethik

(12.04.2014) Aus „Plato and Platypus walk into a bar – Understanding Philosophy through Jokes“:

Even lawyers have professional ethics. If a client mistakenly gives a lawyer $ 400 to pay a $ 300 bill, the ethical question that naturally arises is whether the lawyer should tell his Partner.

Eine moderne Führungskraft

(12.04.2014) Gestern war ich mit meiner Frau zu der Präsentation einer Unternehmensberatung eingeladen. Es gab Häppchen und Wein und danach einen Vortrag des Geschäftsleiters. Es ging um „Change Management“.
 
Der Geschäftsleiter stellte Kafkas Erzählung „Die Verwandlung“ und das 5-Phasen-Modell von Elisabeth Kübler-Ross als Beispiele gelungenen Change Managements dar.
 
Später sprachen meine Frau und ich ihn verwundert darauf an. Ob er übersehen hätte, dass sowohl bei Kafka wie auch bei Elisabeth Kübler-Ross diejenigen, um die es geht, nach ihrem Change Management tot sind.
 
Er stutzte erst, dann empfahl er uns, die Veranstaltung zu verlassen. Denn wir brächten „schlechte Vibes“ und unser Verhalten sei überhaupt „zum Kotzen“.
 
Heute morgen habe ich noch einmal auf die Internet-Seite der Unternehmensberatung geschaut.

Eine moderne Führungskraft

so stand dort, 

muss kommunizieren, zuhören, verstehen, innehalten, dazulernen.

.“

 

 

The Winner takes it all…

(31.03.2014) … und der Verlierer zahlt es. So ist es jedenfalls in Deutschland und in den meisten Ländern (anders als z.B. in den meisten Bundesstaaten der USA, in Japan und Taiwan). Wer einen anderen verklagt und den Prozess verliert, darf nicht nur seine eigenen Anwaltskosten, die Kosten einer Beweisaufnahme und die Gerichtskosten bezahlen, sondern auch noch die Kosten des Gegenanwaltes. Bei einem Prozess um, beispielsweise, 800 EUR kommt da schnell der gleiche Betrag zusammen, um den es überhaupt geht – in der ersten Instanz. Geht es in die zweite, wird es noch teurer.

Etwas gemildert ist dieses Prinzip im Arbeitsrecht. Dort trägt – wenn auch nur in der ersten Instanz – jede Partei ihre Kosten selbst, egal wie der Rechtsstreit ausgeht. Das Prozessrisiko für den Arbeitnehmer halbiert sich dadurch (das des Arbeitgebers freilich auch). Wahrscheinlich nur deshalb hat eine Praktikantin es gewagt, vor Gericht 17.000 Euro von dem Unternehmen zu fordern, das sie monatelang als „Praktikantin“ unbezahlte Arbeit hat leisten lassen – und vor dem Arbeitsgericht Bochum Recht bekommen.

Waffengleichheit im Prozess besteht dennoch nicht zwischen Privatpersonen und Unternehmen. Das Unternehmen kriegt, anders als die Privatperson, die Umsatzsteuer auf seine Anwaltskosten vom Finanzamt zurück, was diese Position für das Unternehmen schon einmal um rund ein Sechstel verbilligt. Außerdem kann es sämtliche Kosten auch eines verlorenen Rechtsstreits als Betriebskosten geltend machen. Das kann ein Verbraucher überhaupt nicht, ein Arbeitnehmer möglicherweise als Werbungskosten, aber da sein persönlicher Steuersatz in der Regel deutlich geringer ist als der des Unternehmers incl. dessen Gewerbesteuer, ist auch seine Steuerersparnis deutlich geringer. Abgesehen davon profitiert das Unternehmen in der Regel von der „Prozessdividende“: es kann darauf bauen, dass nur ein Teil derjenigen, die berechtigte Ansprüche haben, diese auch durchsetzen. Im Fall von Verspätungsentschädigungen bei Fluggesellschaften sind es zum Beispiel nur rund ein Zehntel – gerade weil die Unternehmen praktisch jeden abwimmeln, der auf seine Recht pocht. Ohne Anwalt und Gerichtsverfahren kommt hier praktisch kein Verbraucher zu seinem Geld. Bei dem, was die Unternehmen auf diese Weise sparen, sind in den Fällen, die sie dann tatsächlich verlieren, die Prozesskosten längst schon eingespielt.

Hier wäre schon seit langem der Gesetzgeber gefragt. Interessanterweise gibt es längst einen Ansatz, wie man die geschilderte Waffenungleichheit beseitigen könnte, nämlich durch eine asymmetrische Kostenverteilung, wie sie bei Aktionärsklagen vorgesehen ist. Klagt ein Aktionär gegen eine Entscheidung der Hauptversammlung, dann können die Kosten, die er der Gegenseite zu erstatten hat, wenn er verliert, deutlich geringer festgesetzt werden als die Kosten, die die Gesellschaft zu erstatten hat, wenn diese den Rechtsstreit verliert. Was für Aktionäre recht ist, sollte eigentlich für Verbraucher billig sein. Aber bis der Gesetzgeber das begreift oder sich auch nur dafür interessiert, werden noch viele Verbraucher und Arbeitnehmer von Unternehmen über den Tisch gezogen werden…

… so wollen wir doch zumindest ihre Seelen retten

(25.03.2014) Zwar schon drei Wochen alt, aber ich bin erst heute darauf gestoßen. Unbedingt lesenswert, dieser Artikel des Richters am Bundesgerichtshof Thomas Fischer.

Mag auch nichts mehr sicher scheinen in Deutschland (diesem Fettauge auf der See der Auszehrung), mag auch niemand mehr wirklich wissen, was Wahrheit und was Lüge ist und wer die Wahrheit überwacht, mag der erwiesene Geheimnisverrat den Minister zum Ehrenmann machen und mag es der schlimmste von allen politischen Skandalen sein, dass er herauskommt – immerhin eines bleibt uns doch gemeinsam: unsere unschuldige Liebe zu den sexuell ausgebeuteten Kindern.

Der Schutz der Kinder, namentlich der unterprivilegierten, der armen, der in Containern hausenden, der bettelnden, stehlenden, der frühreifen, armen Kleinen in Rumänien und Afghanistan, Kolumbien und Tansania, liegt uns am Herzen wie sonst nichts auf der Welt. Mögen sie ihr Dasein fristen auf den Müllhalden unseres Reichtums, so wollen wir doch zumindest ihre Seelen retten und ihre Menschenwürde!

P.S.: Dass das vorstehende Zitat reiner Sarkasmus ist, erschließt sich vielleicht nur bei Lektüre des ganzen Artikels – darum sei hier ausdrücklich darauf hingewiesen…

Der – bisweilen – fassungslose Senat

(22.03.2014) Laut einem Artikel im heutigen Tagesspiegel hat der Verwaltungsrat der Investitionsbank Berlin („IBB“) unter Vorsitz der Wirtschaftssenatorin Yzer (CDU) den Vorstand Ulrich Kissing wegen „schwerwiegender Pflichtverletzungen“ gefeuert. Die angeblichen Pflichtverletzungen: er habe „Sozialbeiträge nicht gezahlt“ und die von ihm geleitete IBB in einen Rechtsstreit über die Frage der Sozialversicherungspflicht seiner Vorstandstätigkeit geführt. In Senatskreisen, so der Tagesspiegel,

gab man sich fassungslos darüber, dass Kissing bei der Höhe seines Gehalts nicht ein paar tausend Euro für Sozialbeiträge abführen wollte.

Das offenbart schon eine äußerst bizarre Auffassung des Senats und der Volljuristin Yzer zu Recht und Gesetz. Ja, halten die die Sozialversicherungsbeiträge denn für eine Art Spende zum Winterhilfswerk, die jemand mit viel Geld schon aus moralischen Gründen zu bezahlen hat (wenn ich auch noch nirgendwo gelesen habe, dass Mitglieder des Senats freiwillige Überweisungen an die Rentenversicherung tätigen)?

Die IBB ist eine rechtsfähige Anstalt des öffentlichen Rechts, errichtet aufgrund des Berliner Investitionsbankgesetzes (IBBG). Diesem zufolge „führt der Vorstand die Geschäfte der IBB Investitionsbank Berlin in eigener Verantwortung“. Eine gleichartige Formulierung findet sich auch im Aktiengesetz für Vorstände der Aktiengesellschaften. Sie bedeutet: die Vorstände sind nicht weisungsgebunden, sie haben die Geschäfte mit der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns zu führen und haften für Fehler und Schäden mit ihrem gesamten privaten Vermögen. Ihre Stellung unterscheidet sich damit grundlegend von der eines Arbeitnehmers. Ihre Tätigkeit ist nach dem SGB nicht sozialversichert. Die Aktiengesellschaft muss für die Vorstandsgehälter demnach keine Beiträge abführen; die Vorstände dürften dies nicht einmal tun. Täten sie es dennoch, würden sie damit ihre Vorstandspflichten verletzen, sich schadensersatzpflichtig und u.U. sogar strafbar machen.

Wenn die Deutsche Rentenversicherung dies für die Vorstandsbezüge bei der IBB anders gesehen haben mag, hat Herr Kissing das in dieser Situation einzig Richtige getan: nämlich die staatlichen Gerichte darüber entscheiden lassen. Diese haben – nach der Darstellung im Tagesspiegel – Herrn Kissings Rechtsauffassung bestätigt. Und das soll nun die „schwerwiegende Pflichtverletzung“ sein, die einen Rausschmiss rechtfertigt? Geht’s noch? Jeder Richter wird sich über einen solchen Schwachsinn schlapp lachen und und Herrn Kissing eine Weiterzahlung seines Gehalts zusprechen. Ohne dass der dafür noch einen Finger krumm machen muss. Bis 2017. Und in Höhe von 526.000 Euro pro Jahr (ohne Sozialversicherungsbeiträge). Aber mit solchen Petitessen braucht man sich in Berlin wohl nicht aufzuhalten angesichts eines BER, durch dessen Fass ohne Boden Monat für Monat 30 Millionen Euro rauschen. Die den Senat und Frau Yzer offenbar überhaupt nicht fassungslos machen. Mich schon.