Der – bisweilen – fassungslose Senat

(22.03.2014) Laut einem Artikel im heutigen Tagesspiegel hat der Verwaltungsrat der Investitionsbank Berlin („IBB“) unter Vorsitz der Wirtschaftssenatorin Yzer (CDU) den Vorstand Ulrich Kissing wegen „schwerwiegender Pflichtverletzungen“ gefeuert. Die angeblichen Pflichtverletzungen: er habe „Sozialbeiträge nicht gezahlt“ und die von ihm geleitete IBB in einen Rechtsstreit über die Frage der Sozialversicherungspflicht seiner Vorstandstätigkeit geführt. In Senatskreisen, so der Tagesspiegel,

gab man sich fassungslos darüber, dass Kissing bei der Höhe seines Gehalts nicht ein paar tausend Euro für Sozialbeiträge abführen wollte.

Das offenbart schon eine äußerst bizarre Auffassung des Senats und der Volljuristin Yzer zu Recht und Gesetz. Ja, halten die die Sozialversicherungsbeiträge denn für eine Art Spende zum Winterhilfswerk, die jemand mit viel Geld schon aus moralischen Gründen zu bezahlen hat (wenn ich auch noch nirgendwo gelesen habe, dass Mitglieder des Senats freiwillige Überweisungen an die Rentenversicherung tätigen)?

Die IBB ist eine rechtsfähige Anstalt des öffentlichen Rechts, errichtet aufgrund des Berliner Investitionsbankgesetzes (IBBG). Diesem zufolge „führt der Vorstand die Geschäfte der IBB Investitionsbank Berlin in eigener Verantwortung“. Eine gleichartige Formulierung findet sich auch im Aktiengesetz für Vorstände der Aktiengesellschaften. Sie bedeutet: die Vorstände sind nicht weisungsgebunden, sie haben die Geschäfte mit der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns zu führen und haften für Fehler und Schäden mit ihrem gesamten privaten Vermögen. Ihre Stellung unterscheidet sich damit grundlegend von der eines Arbeitnehmers. Ihre Tätigkeit ist nach dem SGB nicht sozialversichert. Die Aktiengesellschaft muss für die Vorstandsgehälter demnach keine Beiträge abführen; die Vorstände dürften dies nicht einmal tun. Täten sie es dennoch, würden sie damit ihre Vorstandspflichten verletzen, sich schadensersatzpflichtig und u.U. sogar strafbar machen.

Wenn die Deutsche Rentenversicherung dies für die Vorstandsbezüge bei der IBB anders gesehen haben mag, hat Herr Kissing das in dieser Situation einzig Richtige getan: nämlich die staatlichen Gerichte darüber entscheiden lassen. Diese haben – nach der Darstellung im Tagesspiegel – Herrn Kissings Rechtsauffassung bestätigt. Und das soll nun die „schwerwiegende Pflichtverletzung“ sein, die einen Rausschmiss rechtfertigt? Geht’s noch? Jeder Richter wird sich über einen solchen Schwachsinn schlapp lachen und und Herrn Kissing eine Weiterzahlung seines Gehalts zusprechen. Ohne dass der dafür noch einen Finger krumm machen muss. Bis 2017. Und in Höhe von 526.000 Euro pro Jahr (ohne Sozialversicherungsbeiträge). Aber mit solchen Petitessen braucht man sich in Berlin wohl nicht aufzuhalten angesichts eines BER, durch dessen Fass ohne Boden Monat für Monat 30 Millionen Euro rauschen. Die den Senat und Frau Yzer offenbar überhaupt nicht fassungslos machen. Mich schon.

Kommentieren


vier + 7 =