Fug und Unfug

(17.02.2014) Die (z.B. von Teilnehmern der gestrigen Jauchschau aufgestellte) Behauptung, der (damalige) Innenminister Friedrich habe sich mit der Weitergabe der Information über die Verdachtsmomente gegen Edathy wegen der Verletzung von Dienstgeheimnissen strafbar gemacht, ist Unfug. Die entsprechende Strafbestimmung lautet:

§ 353b
Verletzung des Dienstgeheimnisses und einer besonderen Geheimhaltungspflicht

(1) Wer ein Geheimnis, das ihm als
1. Amtsträger,
2. für den öffentlichen Dienst besonders Verpflichteten oder
3. Person, die Aufgaben oder Befugnisse nach dem Personalvertretungsrecht wahrnimmt,

anvertraut worden oder sonst bekanntgeworden ist, unbefugt offenbart und dadurch wichtige öffentliche Interessen gefährdet, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

[…]

(4) Die Tat wird nur mit Ermächtigung verfolgt. Die Ermächtigung wird erteilt
[…]
von der obersten Bundesbehörde […] wenn dem Täter das Geheimnis während seiner Tätigkeit sonst bei einer oder für eine Behörde oder bei einer anderen amtlichen Stelle des Bundes oder für eine solche Stelle bekanntgeworden ist […].

Dass die Offenbarung „unbefugt“ erfolgt ist und dass „dadurch wichtige öffentliche Interessen gefährdet“ worden sind, ist somit Tatbestandsmerkmal. Ist eines von beiden nicht erfüllt, ist die Handlung nicht strafbar. Ob aber eine Weitergabe „befugt“ oder „unbefugt“ (also auf Deutsch: erlaubt oder unerlaubt) ist, unterliegt der Entscheidung der zuständigen Dienststelle. Wenn der oberste Dienstherr selbst im Rahmen des ihm zustehenden Ermessens- oder Beurteilungsspielraums eine Weitergabe erlaubt, fehlt es bereits an dem Tatbestandsmerkmal unbefugt. Hätte er einen Untergebenen angewiesen, die Tatsache weiterzugeben, so hätte sich dieser sicher nicht strafbar gemacht, da die Weitergabe erlaubt, also nicht unbefugt gewesen wäre. Eine andere Beurteilung kann sich dann nicht daraus ergeben, dass der Minister selbst die vertrauliche Information weitergibt, anstatt einen anderen damit zu betrauen. Entsprechendes gilt für die Frage, ob „wichtige öffentliche Interessen gefährdet“ werden. Auch hierbei muss einem Minister ein vernünftiger Ermessens- oder Beurteilungsspielraum zugebilligt werden. Das sieht man bereits daran, dass eine Strafverfolgung nur mit Ermächtigung der betroffenen Behörde möglich ist, die wiederum ein entsprechendes Ermessen ausüben muss.

Das heißt natürlich nicht, dass der Minister über „Weitergabe oder nicht“ nach Gutsherrenart entscheiden darf. Die Entscheidung darf nur im Rahmen der Ausübung pflichtgemäßen Ermessens getroffen werden. Im vorliegenden Fall ist offensichtlich, dass Friedrich seinen Ermessens- oder Beurteilungsspielraum nicht überschritten hat. Er hatte verschiedene berechtigte Interessen gegeneinander abzuwägen: das Interesse der Öffentlichkeit an der Aufdeckung und ggf. Verfolgung einer für möglich gehaltenen Straftat einerseits, andererseits das Interesse der Öffentlichkeit daran, zu verhindern, dass ein möglicherweise skandalbelasteter (und dadurch vielleicht sogar erpressbarer) Politiker ein wichtiges Amt in einer zu bildenden Koalition übernimmt. Friedrich hat sich also als Innenminister völlig korrekt verhalten; er hat nicht politisch falsch gehandelt und sich schon gar nicht strafbar gemacht. Wenn er trotzdem rausgeekelt wurde, dann aus anderen Gründen. Ob er der richtige Mann im Amt war, steht auf einem anderen Blatt.

4 Kommentare zu „Fug und Unfug“

  • Peter:

    Hallo Herr Müller-Güldemeister, ich kann Ihnen nicht zustimmen. Ich denke es war Gutsherrenart. Das Interesse mit dem Edathy auf einem Posten lässt sich auch anders lösen. Er gibt seine Befürchtung nach oben weiter und die Kanzlerin sorgt dafür, dass Edathy drausen bleibt. Aber dem neuen Kumpel in der Sandkiste das zu stecken halte ich (als Nichtjurist) auc rechtlich für mindestens extrem fragwürdig. Und was das gerne zitierte „Interesse der Öffentlichkeit“ ist, will ich nicht als Generalentschuldigung für die, was Rechtsempfinden betrifft, abgehobene Politikerkaste gelten lassen. Wer von den geschassten Politikern gibt den zu, ja ich habe eine Fehler gemacht. von Kohls Gaunerehrenwort und Kochs „brutalstmögliche Aufklärung bis zu den falschen Doktoren wie Guttenberg zieht sich leider ein Faden von „mir wurde Unrecht getan.

  • MaBu:

    Vielen Dank Herr Müller-Güldemeister, es ist ziemlich erfrischend eine rechtlich fundierte Ansicht zu dem von Ihnen erörterten Punkt zu lesen. Es rückt gewissermaßen die Perspektive zurecht, ganz im Kontrast zum Mainstream Medienprogramm.
    MaBu.
    PS. Sie wurden im spiegel.de Forum verlinkt, so fand ich Sie.

    • Ludwig:

      Verehrter MaBu,
      Herr Müller-Güldemeister wurde nicht verlinkt, er hat sich selbst verlinkt …
      Ist im Übrigen nicht die Kanzlerin oberste Dienstherrin? So verstehe ich zumindest die Begriffe Regierungschefin / Regierungsmitglied.

  • Die Kanzlerin ist nicht Vorgesetzte des einzelnen Ministers und daher auch nicht seine Dienstherrin (Artikel 65 Grundgesetz: „Der Bundeskanzler bestimmt die Richtlinien der Politik und trägt dafür die Verantwortung. Innerhalb dieser Richtlinien leitet jeder Bundesminister seinen Geschäftsbereich selbständig und unter eigener Verantwortung.“)

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