Archiv für Februar 2014

Anwälte und sonstige Spitzbuben

(21.02.2014) Entgegen einem populären Irrtum war es nicht Preußens Friedrich II., sondern sein Vater Friedrich Wilhem I. (der „Soldatenkönig“), der anordnete, und zwar,

„allen Ernstes, dass die Advocati wollene schwarze Mäntel, welche bis unter das Knie gehen, unserer Verordnung gemäß zu tragen haben, damit man diese Spitzbuben schon von weitem erkennen und sich vor ihnen hüten kann.“

Wenn es auch damals um das Ansehen von Politikern so bestellt war wie heute, hätte allerdings eher der König die Robe tragen müssen. Denn nach einer GfK-Umfrage vertrauen zwar 69,7 Prozent der Bürger den Anwälten, aber nur 15,1 Prozent den Politikern.

Dass sie allerdings den Taxifahrern noch mehr vertrauen als mir, gibt mir zu denken…

Vom Kinderporno zum SPD-Porno?

(17.02.2014) Es sieht fast so aus, als würde sich der Fall Edathy zu einem Fall SPD entwickeln. Die Staatsanwaltschaft Hannover untersteht bekanntlich den Weisungen der SPD-geführten Landesregierung. Nach alledem, wass wir bisher wissen, hat sich Herr Edathy nicht strafbar gemacht, und auch die Staatsanwaltschaft hatte keinerlei Anhaltspunkte für ein strafbares Verhalten. Wer sich nicht strafbar macht, dessen Privatleben geht im Übrigen niemanden etwas an. Wieso kommt dann aber die Staatsanwaltschaft dazu, Details aus dem Privatleben des Herrn Edathy in einer Pressekonferenz zu veröffentlichen, mit denen er sich zweifelsfrei nicht strafbar gemacht hat? Liegt da nicht der Verdacht nahe, dass Edathy gezielt als Politiker niedergemacht werden sollte? Dazu passt trefflich die Verlautbarung des Parteivorsitzenden, Edathy aus der Partei rauszuschmeißen, und ebenso das Gemauschel von Gabriel, Oppermann & Co. im Vorfeld. Wieso ist ein nicht strafbares Verhalten im Privatleben ein Grund für einen Parteiausschluss? Man mag es ja krank finden, wenn sich jemand Bilder nackter Jugendlicher im Internet bestellt – selbst, wenn es nicht strafbar ist. Aber hat nicht die SPD, wie sie nicht müde wird hinauszuposaunen, die Solidarität gepachtet? Dann sollte sie einem Kranken doch eher Hilfe, Milde oder Barmherzigkeit angedeihen lassen. Statt dessen tritt ihr Vorsitzender auf jemanden, der schon am Boden liegt, auch noch mit den Stiefeln ein, um den Beifall johlender Gaffer zu erheischen. Das ist widerlich. SPD-Porno.

Fug und Unfug

(17.02.2014) Die (z.B. von Teilnehmern der gestrigen Jauchschau aufgestellte) Behauptung, der (damalige) Innenminister Friedrich habe sich mit der Weitergabe der Information über die Verdachtsmomente gegen Edathy wegen der Verletzung von Dienstgeheimnissen strafbar gemacht, ist Unfug. Die entsprechende Strafbestimmung lautet:

§ 353b
Verletzung des Dienstgeheimnisses und einer besonderen Geheimhaltungspflicht

(1) Wer ein Geheimnis, das ihm als
1. Amtsträger,
2. für den öffentlichen Dienst besonders Verpflichteten oder
3. Person, die Aufgaben oder Befugnisse nach dem Personalvertretungsrecht wahrnimmt,

anvertraut worden oder sonst bekanntgeworden ist, unbefugt offenbart und dadurch wichtige öffentliche Interessen gefährdet, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

[…]

(4) Die Tat wird nur mit Ermächtigung verfolgt. Die Ermächtigung wird erteilt
[…]
von der obersten Bundesbehörde […] wenn dem Täter das Geheimnis während seiner Tätigkeit sonst bei einer oder für eine Behörde oder bei einer anderen amtlichen Stelle des Bundes oder für eine solche Stelle bekanntgeworden ist […].

Dass die Offenbarung „unbefugt“ erfolgt ist und dass „dadurch wichtige öffentliche Interessen gefährdet“ worden sind, ist somit Tatbestandsmerkmal. Ist eines von beiden nicht erfüllt, ist die Handlung nicht strafbar. Ob aber eine Weitergabe „befugt“ oder „unbefugt“ (also auf Deutsch: erlaubt oder unerlaubt) ist, unterliegt der Entscheidung der zuständigen Dienststelle. Wenn der oberste Dienstherr selbst im Rahmen des ihm zustehenden Ermessens- oder Beurteilungsspielraums eine Weitergabe erlaubt, fehlt es bereits an dem Tatbestandsmerkmal unbefugt. Hätte er einen Untergebenen angewiesen, die Tatsache weiterzugeben, so hätte sich dieser sicher nicht strafbar gemacht, da die Weitergabe erlaubt, also nicht unbefugt gewesen wäre. Eine andere Beurteilung kann sich dann nicht daraus ergeben, dass der Minister selbst die vertrauliche Information weitergibt, anstatt einen anderen damit zu betrauen. Entsprechendes gilt für die Frage, ob „wichtige öffentliche Interessen gefährdet“ werden. Auch hierbei muss einem Minister ein vernünftiger Ermessens- oder Beurteilungsspielraum zugebilligt werden. Das sieht man bereits daran, dass eine Strafverfolgung nur mit Ermächtigung der betroffenen Behörde möglich ist, die wiederum ein entsprechendes Ermessen ausüben muss.

Das heißt natürlich nicht, dass der Minister über „Weitergabe oder nicht“ nach Gutsherrenart entscheiden darf. Die Entscheidung darf nur im Rahmen der Ausübung pflichtgemäßen Ermessens getroffen werden. Im vorliegenden Fall ist offensichtlich, dass Friedrich seinen Ermessens- oder Beurteilungsspielraum nicht überschritten hat. Er hatte verschiedene berechtigte Interessen gegeneinander abzuwägen: das Interesse der Öffentlichkeit an der Aufdeckung und ggf. Verfolgung einer für möglich gehaltenen Straftat einerseits, andererseits das Interesse der Öffentlichkeit daran, zu verhindern, dass ein möglicherweise skandalbelasteter (und dadurch vielleicht sogar erpressbarer) Politiker ein wichtiges Amt in einer zu bildenden Koalition übernimmt. Friedrich hat sich also als Innenminister völlig korrekt verhalten; er hat nicht politisch falsch gehandelt und sich schon gar nicht strafbar gemacht. Wenn er trotzdem rausgeekelt wurde, dann aus anderen Gründen. Ob er der richtige Mann im Amt war, steht auf einem anderen Blatt.

Der wirkliche Skandal

(13.02.2014) Die gefährlichsten Personen für Kinder sind Vater und Mutter, wie die Rechtsmediziner an der Charité Michael Tsokos und seine Kollegin Saskia Etzold nachweisen. Und nicht etwa, wie die derzeit grassierende, schon mittelalterlich anmutende Hysterie um „Kinderpornographie“ suggeriert, ein paar armselige Typen, die es, aus welchem Grund auch immer, nötig haben, sich Bildchen von nackten Kindern aus dem Internet runterzuladen, oder auch nur dessen verdächtigt werden. Auf die wird mit der ganzen Artillerie der Strafverfolgungsbehörden losgeballert, während – so Tsokos und Etzold – es

Sachbearbeitern in Jugendämtern […] meist an elementaren rechtsmedizinischen Kenntnissen [fehlt]. Auch Staatsanwälte und Richter sind in dieser Hinsicht überwiegend von erschütternder Ahnungslosigkeit. […] Viel zu oft werden Kindesmisshandler freigesprochen oder kommen mit lächerlich geringen Strafen davon, weil so gut wie keiner der Akteure im Gerichtssaal über das notwendige Wissen verfügt. Selbst in der ständigen Rechtssprechung des Bundesgerichtshofes (BGH) wird Kindesmisshandlung tabuisiert.

Warum: weil die Mittel für einen besseren Kinderschutz nicht da sind. Mit anderen Worten: die staatlichen Institutionen sehen aus purem Geiz gleichgültig zu, wie Kinder in ihren Familien misshandelt und totgeprügelt werden. Gleichzeitig genießt die Kinderschändung in Form der als „Beschneidung“ religiös verbrämten Genitalverstümmelung höchste parlamentarische und regierungsamtliche Gunst. Als Feigenblatt dienen dann ebenso wohlfeile wie nutzlose populistische Aktionen gegen ein paar lächerliche Pornographiebesitzer. Das ist der Skandal, und nicht das parteipolitische Spektakel um Edathy, Friedrich, Gabriel & Co.

Kinderpornographie

(12.02.2014)

Gerade bei solchen Tatvorwürfen spielt es dann ja kaum noch eine Rolle, ob der Beschuldigte später tatsächlich einer Straftat überführt wird. Umso größer wird damit auch die Gefahr, dass derartige Vorwürfe nicht nur instrumentalisiert, sondern auch konstruiert werden. Die Versuchung in dieser Richtung dürfte auch durch den Fall Edathy nicht geringer werden.

schreibt der Rechtsanwalt Udo Vetter anlässlich der gegen den Politiker Sebastian Edathy bekannt gewordenen Vorwürfe in seinem lawblog.

Mir ist weder Herr Edathy jemals sympathisch gewesen (ein erbitterter Streiter für die Vorratsdatenspeicherung) noch bin ich ein Freund von Kinderschändern. Aus diesem Grund lehne ich auch die Beschneidung von Minderjährigen rigoros ab. Dennoch halte ich die Strafbarkeit des bloßen Besitzes von Kinderpornographie (und sogar des Versuchs, sich solche zu beschaffen) für falsch und durch keinen vernünftigen Grund des Gemeinwohls oder Kinderwohls für gerechtfertigt. Der Missbrauch von Kindern für solche Aufnahmen – selbstverständlich. Von mir aus auch der Vertrieb von solchem Material. Aber die Inkriminierung des bloßen Besitzes ist schlicht Gesinnungsstrafrecht und wird offenbar in erster Linie zum Rufmord gegen missliebige Mitmenschen benutzt, zumal hier bereits der (ungerechtfertigte) Verdacht ausreicht, um jemanden für den Rest seines Lebens zu brandmarken, siehe der Versuch, einen unbequemen Mitarbeiter der HSH Nordbank aus seinem Amt zu entfernen spiegel.de/wirtschaft/unt…-ex-manager-a-751983.html. Abgesehen davon ist angesichts der rigorosen Strafdrohung eine öffentliche Debatte darüber, was erlaubt und was schon verboten sein soll, überhaupt nicht mehr möglich.

Dass im Schnellgang Gesetze durchs Parlament gepeitscht werden, die es unter dem Vorwand der Religionsfreiheit erlauben, einem Kind coram publico das Genital zu verstümmeln, aber gleichzeitig bereits der Versuch, ein Bild des unverstümmelten Kindes zu betrachten, zu Verfolgung, Bestrafung und öffentlichem Pranger führt, zeigt die ganze Verlogenheit und Bigotterie unserer Politik und Gesellschaft.

So entspannt sitzt selten jemand auf der Anklagebank

(10.02.2014) Hier der Artikel des Schwäbischen Tagblattes zu der Veranstaltung im Schwurgerichtssaal des Landgerichts Tübingen am 8. Februar 2014.

Der Sohn des Staatsanwalts

(06.02.2014) Im Jahr 1962 klagte die Tübinger Staatsanwaltschaft neun Tübinger Gymnasiasten vor dem Jugendschöffengericht an. Die Mitglieder der sogenannten „Rotbart-Bande“ hatten gestohlen, waren in Häuser und Läden eingebrochen und hatten schließlich eine Bank überfallen. Sie wurden zu mehrjährigen Jugendstrafen verurteilt.

 

Chef der Tübinger Staatsanwaltschaft war der Ltd. Oberstaatsanwalt Krauß. Es war derjenige, der – dreizehn Jahre zuvor –  bei der letzten Hinrichtung in Westdeutschland die markigen Worte ausgesprochen hatte: „Scharfrichter, ich übergebe Euch den Richard Schuh mit dem Befehl, ihn dem Urteil gemäß zu richten vom Leben zum Tode.“ Er ließ anlässlich des „Rotbart-Prozesses“ in der „Tübinger Chronik“ folgende Presseerklärung veröffentlichen:

Frei erfunden

Die von Zeit zu Zeit immer wieder umgehenden Gerüchte, an den Straftaten der Tübinger Oberschüler, von denen sich neun zur Zeit vor der Jugendkammer in Tübingen zu verantworten haben, seien außer den Angeklagten noch die Söhne bekannter Tübinger Persönlichkeiten beteiligt gewesen, sind frei erfunden und unwahr […].

Krauß, Oberstaatsanwalt

Nachdem die Geschichte der „Rotbart-Bande“ mich zu meinem Roman „Uhlandgymnasium“ inspiriert hatte, erreichen mich immer wieder Briefe und Anrufe, die Zweifel an diesem Dementi aufkommen ließen. Zuletzt dieser Brief eines Richters:

Als ich 1972 als Richter in einer Großen Strafkammer des Landgerichts Tübingen arbeitete, erzählte mir ein älterer Kollege, die Staatsanwaltschaft habe seinerzeit die „Rotbart“-Akten aufgeteilt, nämlich in einen zweiten Band für die Prominentensöhne. Dieser zweite Band sei dann „leider“ verschwunden, weshalb insoweit nicht angeklagt worden sei. Das sei insofern besonders auffällig gewesen, als die Staatsanwaltschaft ja immer auch Zweitakten anlege und auch die verschwunden seien. Auch hätte man die Akten ja anhand deir Kripo-Akten rekonsturieren können, wenn man gewollt hätte. Unter den Prominentensöhnen sei auch der Sohn des Tübinger Ltd. Oberstaatsanwalts Krauß gewesen.“

In einer ergänzenden E-mail fügte der Richter hinzu:

Die Information über die Aktenteilung hatte ich von meinem älteren, sehr geschätzten, sehr schwäbischen Kollegen Otto Vötsch [Anm.: Er war einer der Ersatzrichter in den Stammheim-Verfahren gegen die RAF-Mitglieder Baader, Ensslin u.a.] erhalten. Er ist leider schon lange tot. Ein weiterer Beschuldigten-Name in diesem Band 2 lautete: „Peter K.“.

„K.“ steht in diesem Fall für ein hochrangiges Mitglied der damaligen Landesregierung von Baden-Württemberg.

Am kommenden Sonnabend, 8. Februar 2014, findet übrigens um 19:00 im Schwurgerichtssaal des Landgerichts Tübingen eine Lesung aus „Uhlandgymnasium“ und aus dem Roman „Wem sonst als Dir“ von Uta-Maria Heim im Rahmen eines SWR4-Studiotalks statt. Der Leiter des Tübinger Landgerichts wird an dem Talk teilnehmen. Der genannte Richter hat sein Kommen ebenfalls angesagt.

Tochter des Justizopfers Arnold nimmt Klage zurück

(05.02.2014) Die Tochter des Lehrers Horst Arnold, der infolge einer Falschbeschuldigung einer Kollegin wegen angeblicher Vergewaltigung 5 Jahre Haft absitzen musste und kurz nach seinem Freispruch im Wiederaufnahmeverfahren starb, soll nach einer Meldung von SPIEGEL ONLINE die Zivilklage gegen die Lehrerin Heidi K zurückgenommen haben, obwohl die erste Instanz Heidi K. zur Zahlung von 80.000 EUR Schmerzensgeld verurteilt hatte.

Der Anwalt begründete dies damit, dass Heidi K. Einspruch gegen das Urteil eingelegt und das Landgericht ihr für den Einspruch Prozesskostenhilfe gewährt hätte; weiter, dass die Vollstreckung gegen Heidi K. aussichtslos sei, weil sie ihre Beamtenbezüge rechtzeitig an einen Dritten abgetreten hätte und schließlich, dass die Klägerin selbst im Erfolgsfall auf ihren Kosten sitzen bleiben würde.

Meinen ursprünglichen Kommentar in diesem Blog korrigiere ich hiermit, nachdem mich ein Leser darauf aufmerksam gemacht hat, dass es sich bei dem ersten Urteil des Landgerichts um ein Versäumnisurteil gehandelt hat. Gegen dieses ist in der Tat das Rechtsmittel des Einspruchs, nicht das der Berufung gegeben.

Gleichwohl erstaunt es mich, dass eine einmal erhobene Klage so schnell zurückgenommen wird. Nur weil Prozesskostenhilfe gewährt wurde? Damit ist über den Ausgang des Prozesses noch nicht viel gesagt. Und mit irgendeiner Rechtsverteidigung der Heidi K. in dem Zivilprozess musste doch gerechnet werden, nachdem sie auch gegen das Strafurteil Revision eingelegt hat.

Auch ist schwer einzusehen, wieso die Abtretung der Beamtenbezüge der Heidi K. nicht nach dem Anfechtungsgesetz anfechtbar sein soll. Ist sie anfechtbar, so hat die Klägerin einen Zahlungsanspruch gegen den Empfänger der Abtretung.

Ich danke „kreuter67“ für den Hinweis.