Archiv für April 2013

ekz-informationsdienst

(22.04.2013) Der ekz-Informationsdienst gibt für ein paar tausend öffentlicher Bibliotheken Empfehlungen für den Ankauf neuer Bücher. Über das Buch „Uhlandgymnasium“ des Autors Lothar Müller-Güldemeister ist da zu lesen:

Stilistisch brillante, in jeder Zeile glaubwürdige Studie über die conditio humana, spannender als ein Thriller und von erzählerischer Vitalität

Dem will ich jetzt mal nicht widersprechen…

Ein Amtsschimmel in Altenburg (Thüringen)

(22.04.2013) Einem nackten Mann kann man nicht in die Tasche fassen, nicht einmal aufgrund eines vollstreckbaren Abgabenbescheides. Und einer nackten, seit 10 Jahren insolventen und bereits im Handelsregister gelöschten GmbH erst recht nicht. Der Bürgermeister sollte sowas eigentlich wissen. Bei der GmbH laufen nämlich seit Jahrzehnten Grundsteuern, Müll- und Straßenreinigungsgebühren auf, die in Ermangelung einer Tasche, in die er greifen kann, den Stadtsäckel nicht füllen – mittlerweile über zwanzigtausend Euro. In ein paar Jahren vierzigtausend, wenn das Grundstück nicht verkauft wird. Und verkauft wird es nicht, obwohl ein Käufer bereit steht, denn dazu müsste der Bürgermeister erklären, dass der Stadtsäckel darauf verzichtet, dem Käufer wegen der rückständigen Abgabenforderungen in die Tasche zu greifen. Aber nein, nein, nein, das will er nicht, der Bürgermeister von Altenburg Michael Wolf (SPD). Basta. Nicht einmal, wenn der Käufer bereit ist, einen Teil davon zu übernehmen. Auf die Frage, warum nicht, wiehert der Amtsschimmel sinngemäß, da könnte ja jeder kommen. Also werde ich jetzt mein Amt als gerichtlich bestellter Nachtragsliquidator der insolventen GmbH niederlegen und Herr Bürgermeister darf die nächsten zwanzig Jahre weiter nach der Tasche der nackten GmbH suchen. Und dabei ein bisschen wiehern!

Was mir hierzu einfällt, ist leider nicht mehr druckreif

(11.04.2013) darum lasse ich es so stehen, wie es da steht.

Ein Brief an den Piper Verlag

(07.04.2013) Sehr geehrte Damen und Herren,

vor einigen Tagen war Ihr Brief vom 20.03.2013 in meinem Kasten. Darin durfte ich lesen, dass Sie für das Manuskriptangebot, das ich Ihnen vor zehn Monaten gemacht habe, keinen geeigneten Platz in Ihrem Programm sehen. Und Sie wünschen mir bei der Suche nach einem geeigneten Verlag Glück und viel Erfolg.

Für diese Wünsche darf ich mich bedanken. Auch wenn sie zu dem Glück und Erfolg nichts mehr beitragen werden. Der Roman ist jetzt im Februar bei Klöpfer und Meyer erschienen. Einem Verlag, der keine zehn Monate gebraucht hat, um einen freundlichen, höflichen und mit Sorgfalt formulierten Brief zu beantworten. Das – nicht Ihre Ablehnung meines Manuskriptangebotes – ist es, was mich an Ihrem Schreiben geärgert hat und was ich hier einmal loswerden möchte.

Sie bekommen sicherlich viele Manuskripte angeboten und es dürfte eine anspruchsvolle Aufgabe sein, diese Flut zu bewältigen. Aber auch eine Aufgabe, vor der alle Verlage stehen und die nicht neu sein kann. Und nicht nur für Verlage. Auch andere Firmen bekommen geschäftliche Anfragen, aus denen sie die geeigneten aussieben müssen, Bitten, Angebote abzugeben, Initiativbewerbungen, vieles mehr. Uns als Anwaltskanzlei werden täglich Mandate angetragen, die wir aus verschiedensten Gründen nicht übernehmen können oder wollen. Das heißt aber nicht, dass wir die Rechtssuchenden zehn Monate warten und dann mit ein paar zusammengeschusterten Textbausteinen wissen lassen, sie interessierten uns nicht als Mandanten und wir wünschten ihnen auf der Suche nach einem geeigneten Anwalt viel Erfolg. Sondern sie werden am gleichen, spätestens am nächsten Tag zurückgerufen oder per E-Mail kontaktiert.

Etwas in der Art, zuallermindest eine Eingangsbestätigung per Mail mit einer Nachricht, wie Sie mit meinem Angebot weiter zu verfahren gedenken, hätte ich erwartet. Das ist nicht nur Usus im Geschäftsleben, sondern entspricht den Mindestgeboten der Höflichkeit. Sie mögen nun retourkutschieren, dass die Höflichkeit auch mir geboten hätte, Ihnen wenigstens mitzuteilen, dass mein Buch anderweitig verlegt wird. Das habe ich in der Tat bei den Verlagen gemacht, die sich bei mir gemeldet haben und bei denen ich deshalb nicht davon ausgehen musste, dass mein Schreiben bereits im Papierkorb gelandet ist.

Eine weitere Quelle meiner Verärgerung sind Worthülsen wie „keinen geeigneten Platz in unserem Programm“. Damit verkaufen Sie den Manuskripteinsender doch geradezu für dumm. Wenn tatsächlich kein Platz wäre, brauchte es für diese Aussage keine 10 Monate. Sie erinnert mich vielmehr an die eines Diskotheken-Türstehers, der die Einlassbegehrenden ruppig bescheidet, der Club sei voll, während direkt daneben die Promis reingelassen werden. Wie kommen Sie eigentlich auf die Idee, dass ein Autor den Anblick des Satzes „wir wollen Sie nicht“ ebensowenig ertragen könne wie der Mann vom Lande den Anblick des dritten Türhüters? Ich jedenfalls kann mir nicht vorstellen, dass Ihr Lektorat einem Autor derart verschwurbelte Sätze in einem Romanmanuskript unangestrichen lassen würde, wie Sie sie in Ihrem Brief verwenden.

Freilich stehen Sie mit Ihrer von mir bedauerten Geschäftspraxis nicht allein im Literaturbetrieb. Andere Verlage haben sich ähnlich benommen und von zehn Literaturagenturen, die ich angeschrieben habe, hat gar nur eine einzige es für nötig gehalten, sich überhaupt zurückzumelden. Das macht allerdings die Sache nicht besser.

Auf Ihre abschließende Frage, ob Sie mir meine Leseprobe zurückschicken sollen, antworte ich schlicht: nein danke, können Sie wegschmeißen.

Mit freundlichen Grüßen

Furchtbare Juristen

(06.04.2013) Gestern fand in der Schleswig-Holsteinischen Landesvertretung in Berlin eine höchst denkwürdige Veranstaltung statt. Sie wurde vom Forum Justizgeschichte e.V. zu Ehren von Professor Ingo Müller ausgerichtet. Ingo Müller ist vor allem bekannt geworden durch sein erschütterndes Werk „Furchtbare Juristen„. Darin beschreibt und dokumentiert er in nicht zu überbietender Deutlichkeit, wie deutsche Staatsanwälte, Richter und Rechtsgelehrte erst die Zerstörung der Weimarer Republik betrieben, nach deren Ende in einem Hitler stets unterwürfig vorauseilendem Gehorsam den Rechts- in den Unrechts-, Mord- und Terrorstaat umformten und nach dessen blutigem Ende die Bestrafung der Mörder be- und verhinderten, wo es nur ging.

Die sehr gelungene und berührende Laudatio hielt Frau Prof. Eva Schumann vom rechtsgeschichlichen Institut der Universität Göttingen. Dort arbeitete sie u.a. das vernichtende Faktum heraus, dass der prozentuale Anteil der Richter, die Mitglieder der Nazipartei gewesen waren, nach dem Krieg sogar noch anstieg. Beispielsweise betrug er in Hamburg (nach 60 % während der Nazizeit) Ende der 50er Jahre über 90 %. Bei den Richtern in anderen Bundesländern und am Bundesgerichtshof verhielt es sich nicht viel anders.

Getoppt wurde der Vortrag von Frau Professor Schumann allerdings am Schluss durch den Vortrag von Professor Ingo Müller selbst. Er wies mit der ihm eigenen Freundlichkeit und doch zugleich mit Leidenschaft und sarkastischer Schärfe auf die in Deutschland immer noch endemische „Positivismus-Legende“ hin. Dieser bald nach dem 2. Weltkrieg aufgekommenen Legende zufolge war es der Rechtspositivismus eines Hans Kelsen und eines Gustav Radbruch , den die Schuld der Perversion des Rechts in der Nazidiktatur traf: Richter hätten unter Berufung auf den Buchstaben verbrecherischer Gesetze Menschenrechte mit Füßen getreten – nach den Lehren Radbruchs und Kelsens hätten sie ja gar nicht anders gekonnt.

Die Wahrheit ist jedoch: es war es genau umgekehrt. Die Juristen aus der Kaiserzeit, die die ganze Schärfe gesetzlicher Bestimmungen wie über den Hochverrat, den Landfriedensbruch und ähnlicher Straftatsbestände buchstabengenau vornehmlich gegen Sozialdemokraten und streikende Arbeiter angewandt hatten, fanden nach 1919 plötzlich die wortgetreue Anwendung der Gesetze, sofern sie nicht in ihr vordemokratisches Weltbild passte, keineswegs mehr angebracht. Sie schufen in freier Rechtsfortbildung contra legem Rechtsinstitute wie den des Staatsnotstandes und der Staatsnotwehr. Unter Berufung auf diese warfen sie Carl v. Ossietzky, der die völkerrechtswidrige Aufrüstung der deutschen Luftwaffe publik gemacht hatte, ins Gefängnis, während sie rechtsradikale Putschisten und Mörder mit Samthandschuhen anfassten und später die Morde Hitlers an seinen politischen Gegnern exkulpierten. Den Rechtsstaat bezeichnete Ernst Forsthoff als den „Prototyp einer Gemeinschaft ohne Ehre und Würde“, welchen „die nationalsozialistische Revolution hinweggefegt“ habe und dessen Formalismus nun abgelöst worden sei „durch echte, sachliche Unterscheidungen“ auf der Basis „von Freund und Feind, von volksgemäß und volksfremd, von deutsch und undeutsch“. Die „unbegrenzte Auslegung“ (so ein Ausdruck von Bernd Rüthers) konnte beginnen. 1935 wurde durch den novellierten § 2 des Strafgesetzbuches das Analogieverbot aufgehoben; bestraft werden konnte nun alles, was dem „gesunden Volksempfinden“ widersprach. Was das gesunde Volksempfinden war, definierten die Richter. Die sich derart unter den Nazis immer weiter vom Gesetzespositivismus entfernende Justizpraxis kulminierte schließlich in dem Volksgerichtshof Roland Freislers. Dieser sah es als seine Aufgabe, „nicht Recht zu sprechen, sondern die Gegner des Nationalsozialismus zu vernichten„. Tatsächlich waren die Anhänger des Rechtspositivismus wie Gustav Radbruch und Hans Kelsen erbitterte Gegner der Nazis gewesen. Die Positivismus-Legende dagegen strickten und verbreiteten groteskerweise nach dem Krieg einstige fanatische Hitleranhänger wie Forsthoff und Carl Schmitt , um nach dem Motto „haltet den Dieb“ jenen die Schuld für ihre eigenen Verbrechen in die Schuhe zu schieben und die Richter, die Blut an den Händen hatten, vom Vorwurf der Rechtsbeugung zu entlasten.

Ingo Müllers Buch soll, wie in der Veranstaltung zu hören war, Ende des Jahres neu aufgelegt werden. Das wäre zu wünschen, denn es gehört in die Hand eines jeden deutschen Juristen. Damit die deutsche Justiz nie wieder zu einer furchtbaren werde.

„Bevor der Käufer nicht gezahlt hat…“

(05.04.2013) … diese Redewendung fand ich falsch, als ein sehr geschätzter Kollege sie heute bei der Beurkundung eines Grundstückskaufvertrags verlas. Darüber zu diskutieren, hätte allerdings den Zeitrahmen gesprengt, der für die Beurkundung zur Verfügung stand. Da alle wussten, was gemeint war, habe ich es nach dem Grundsatz „falsa demonstratio non nocet“ dabei belassen. Wieder zurück in der Kanzlei, musste ich feststellen, dass der Kollege den Duden auf seiner Seite hat. Überzeugt hat es mich trotzdem nicht. Logisch wäre: „Ich liefere nicht, bevor Du gezahlt hast“ statt „…bevor Du nicht gezahlt hast“. Das Wort „bevor“ bestimmt doch den Zeitraum vor einem bestimmten Ereignis: „Ich gehe, bevor die Glocke schlägt“ heißt: „Ich gehe irgendwann in einem Zeitraum, der vor dem Glockenschlag liegt“. „Ich gehe nicht, bevor die Glocke schlägt“ heißt, ich gehe in diesem Zeitraum nicht, sondern frühestens, wenn sie schlägt. Aber wenn ich sage: „Ich gehe nicht, bevor die Glocke nicht schlägt“, wann gehe ich denn dann? Die Glocke schlägt ja nicht, also findet das Ereignis, das den Zeitraum begrenzen soll, gerade nicht statt. Ein nicht stattfindendes Ereignis kann aber einen Zeitraum nicht begrenzen, vor oder nach dem etwas geschehen oder gerade nicht geschehen soll. Eigentlich doch ganz logisch, oder?