Archiv für Mai 2011

Übernachten oder früh aufstehen?

Die Wettbewerbskammer beim Hamburger Landgericht hat auf 12:30 terminiert, denn der Anwalt der anderen Partei reist aus Bremen an und ich aus Berlin. Doch der Gegenanwalt bittet um Vorverlegung, weil er am gleichen Tag noch andere Termine habe. Das Gericht entspricht seiner Bitte; 9 Uhr soll die Verhandlung jetzt beginnen.

Die Züge von Berlin nach Hamburg haben fast immer Verspätung – selten unter zehn Minuten und gar nicht selten über eine Stunde. Also nehme ich nicht den Zug, der um 8:53 in Hamburg-Hauptbahnhof ankommt. Und auch nicht den früheren, der um 5:55 in Berlin losgefahren wäre, denn unausgeschlafen vertrete ich meine Mandanten nicht gern. Stattdessen übernachte ich in Hamburg und bin pünktlich morgens  im Verhandlungssaal. Der Gegenanwalt nicht . Er ruft an und sagt, wegen eines Staus auf der Autobahn verspäte er sich um anderthalb Stunden. Nach langem Gefeilsche wird ein Vergleich geschlossen, mit Kostenquotelung. Als ich später meine Hotelrechnung einreiche, wendet der Kollege ein, seine Mandantin müsse diese Kosten nicht tragen. Ich hätte ja, wie er, auch einfach zu spät kommen können, dann wären sie nicht entstanden.

Statt mich über diese Kollegen-Rotzigkeit zu ärgern, werfe ich einen Blick in die Literatur. Laut OLG Karlsruhe ist für den Anwalt recht, was für den armen Schlucker billig ist. Denn zu dem darf, laut § 758a ZPO, der Gerichtsvollzieher auch nicht  zur Nachtzeit, sprich: nicht vor 6 Uhr kommen. Wenn der säumige Schuldner bis 6 Uhr schlafen darf, dann der Anwalt wohl auch. Mal sehn, ob das LG das auch so sieht…
Und hier der Nachtrag: ja, ich durfte ausschlafen. Danke!